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Kultur

Die Kraft der Krise

Chris Dercon, kurzzeitig Intendant der Berliner Volksbühne, ist fort. Die Zukunft des Hauses kann beginnen. Nötig sind: gute Ideen, ein belastbarer Theaterchef – und Geld. Wer hat den nötigen Schwung? Wer vermag die Tradition des Hauses als Reibungsfläche zu nutzen?

BERLINER ZEITUNG / MIKE FRÖHLING
von
Ulrich Seidler
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Kultur

Schon am Vorabend seines Rücktritts, bei der nicht ausverkauften Premiere von Yael Bartanas "What if Women ruled the World?", ließ er sich nicht blicken in seinem Theater, das nie sein Theater wurde. In den Kantinen und Redaktionen liefen längst die Wetten: Hält er diese Spielzeit noch durch? Tut er sich gar eine zweite an? Wird er tatsächlich die fünf Jahre, die ihm sein Intendantenvertrag zubilligt, runteramtieren? Mancher harmoniesüchtige Zeitgenosse glaubte nur zu gern den Aprilscherz des Kunstmagazins Monopol, dass Chris Dercon die Documenta übernehmen werde. Manch anderer schnitzt sich jetzt nach altem Indianerbrauch eine Kerbe in die Flinte.

An diesem Freitagvormittag - es ist ein 13. -, an dem die Kulturverwaltung mitteilt, dass sich der Kultursenator Klaus Lederer und der Intendant der Volksbühne darauf verständigt hätten, "die Intendanz von Chris Dercon mit sofortiger Wirkung zu beenden", schauen die Kollegen dem Theaterredakteur bohrend ins Gesicht: Ist er jetzt zufrieden? Nein, natürlich nicht. Aber ein bisschen erleichtert, so erleichtert, wie man sein kann, wenn nun die eigentlichen Probleme mit diesem Theater anrollen.

Es ist eine gute Nachricht, auch wenn das Ereignis viel zu spät kommt. Chris Dercon tritt als Intendant der Volksbühne zurück, noch in seiner ersten Spielzeit. Sofort. Zu spät, aber es wäre mit jedem weiteren verstrichenen Tag zu spät gewesen.

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14.04.2018