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Gesellschaft

Die Geduldsprobe

Sohrab Alizadeh aus Afghanistan lebt seit einem Jahr im Hangar des Flughafens Tempelhof. Er ist nie allein, kann nie Besuch empfangen. Andere bestimmen, was er isst, andere entscheiden, wann das Licht ausgeht. Wie bleibt man dort frohen Mutes?

BERLINER ZEITUNG / PAULUS PONIZAK
von
Julia Haak
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Gesellschaft

Berlin. Sohrab Alizadeh lebt in einer Flugzeuggarage. Seine Adresse: Berlin, Flughafen Tempelhof, Hangar 6, Kabine G 10. Sohrab Alizadeh beschwert sich darüber nicht. "Ist eben so", sagt er. Er lächelt bescheiden. Sein Pragmatismus ist entwaffnend.

Kann sein, dass Sohrab Alizadeh einfach nur höflich sein will. Seit fast zwei Jahren ist er in Deutschland. Er hat diese Zeit ausschließlich in Berliner Hallen verbracht, die zum Wohnen nicht gedacht sind: zwei Monate in der Messehalle, acht Monate Bett an Bett mit 70 anderen Männern in der Turnhalle am Columbiadamm. Seit einem Jahr wohnt er nun im Flughafenhangar.

Wie sieht der Alltag von Menschen wie Sohrab Alizadeh aus? Wie fühlt es sich an, nie allein sein zu können? Wie ist es, wenn man nie selbst bestimmen darf, wann abends das Licht ausgeht? Wie verändert das einen Menschen, wenn er permanenter Fremdbestimmung ausgesetzt ist?

"Sohrab", ruft ein Mann und zieht im selben Augenblick den schwarzen Vorhang beiseite. Sohrab Alizadeh liegt auf seinem Bett und schläft. "Bitte", sagt der Mann und signalisiert, doch einfach hineinzugehen in das Zimmer des jungen Mannes. Aber wir bleiben lieber auf dem Gang stehen, bis er herauskommt. Das bisschen Privatsphäre, das er hat, wollen wir ihm nicht auch noch nehmen.

Sohrab Alizadeh ist 21 Jahre alt. Er kommt aus Afghanistan und hat sein Land vor mehr als zwei Jahren aus Angst vor den Taliban verlassen. Seine Flucht hat ihn quer…

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27.11.2017