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Politik

Die Fremde

Angela Merkel arbeitet sich fleißig durch den Wahlkampf. Sie lässt die Pöbeleien der Störer im Osten abprallen. Was wäre, wenn sie einmal über ihr eigenes Leben als Ostdeutsche sprechen würde?

Digitalwunder / pixabay.com
von
Sabine Rennefanz
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Politik

Meine englischen Freunde haben sich schon entschieden. Wenn sie am 24. September bei der Bundestagswahl mitmachen könnten, würden sie für "Mörkel", wie sie sagen, stimmen. "Deutschland geht es so gut wie nie", sagen sie. "Mörkel ist die erfolgreichste Linke seit dreißig Jahren", sagen sie. Sie zählen ihre Erfolge auf, Atomausstieg, Mindestlohn, Flüchtlinge und Ehe für alle.

Mörkel? Happy Germany?

Ich sage, dass Angela Merkel keine Linke ist. Ich versuche, ihnen ein anderes Bild Merkels Deutschland zu zeichnen: Worte wie Niedriglöhne, mangelnde Integration, Infrastrukturprobleme, Fortschrittsfeindlichkeit fallen. Und ich sehe, wie die Gesichter meiner Freunde leer werden. Einer fragt schließlich: "Aber ist sie nicht deine Heldin, als erste Ostdeutsche, als Frau?"

Heldin ist ein großes Wort. Eine Heldin muss mutig sein, etwas gegen alle Widerstände durchsetzen. Emily Pankhurst war eine Heldin, die Vorkämpferin für das Frauenwahlrecht, Bärbel Bohley, die ostdeutsche Bürgerrechtlerin, war eine Heldin. Beide sind tot. Angela Merkel will zum vierten Mal zur Kanzlerin gewählt werden.

Ich erinnere mich daran, wie es war, als ich sie zum ersten Mal traf. Es muss 2003 oder 2004 gewesen sein, sie kam als Oppositionsführerin nach London, mit ihrem Vertrauten Friedbert Pflüger. Sie besuchte Downing Street, anschließend gab sie mit dem Premier Tony Blair eine Pressekonferenz. Sie, die CDU-Frau und er, der Labour-Mann, verstanden sich gut. Damals…

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19.09.2017