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Politik

Der Sog des Sumpfs

Matteo Renzi war angetreten, die verkrusteten Strukturen in Italiens Regierungsapparat zu beseitigen. Inzwischen gehört er selbst zum Establishment. Und ist im Volk verhasst. Am Sonntag stimmte es über die Verfassungsreform ab - und damit auch über seinen Premier

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von
Regina Kerner
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Politik

ROM. Er betritt die Bühne wie ein Star-Entertainer zur besten Sendezeit. Hemdsärmelig, die rote Krawatte über dem Bauch baumelnd, mit einer Verneigung vor dem Publikum und strahlendem Lächeln. "Italien sagt Ja", leuchtet es auf der Großleinwand hinter ihm. Dann beginnt die Renzi-Show. Eine Stunde lang läuft der Premier auf und ab, gestikuliert, scherzt, zieht Grimassen, nimmt jeden Zwischenruf auf, ist eloquent, schlagfertig, witzig. Als gleich zu Beginn ein "Bravo" durch den Saal hallt, hält er inne: "Aber Signora, ich habe doch noch gar nichts gesagt." Später holt er eine junge Frau auf die Bühne. "Komm hoch, hier hört man dich besser. Stell mir so viele kritische Fragen, wie du willst. Ich beiße ja nicht, zumindest nicht an Sonntagen." Die Lacher sind auf seiner Seite. Die Rufe derer, die vor dem Kommunalzentrum im norditalienischen Monza gegen ihn demonstrieren, dringen nicht bis in den Saal.

Eine Show muss sein

Unterhalten, das kann Renzi. Es ist eine Fähigkeit, die in Italien mittlerweile unverzichtbar ist, will man in der Politik Erfolg haben. Oppositionsführer Beppe Grillo von den Fünf Sternen ist Ex-Kabarettist. Auch er hat eine Show, sie besteht aus brüllend vorgetragenen Tiraden gegen das System, die korrupte Politikerkaste und gegen Renzi.

Weil Grillo den Ausstieg aus dem Euro propagiert und die Italiener von Europa ziemlich enttäuscht sind, gehört es inzwischen auch zu Renzis Repertoire, auf Europa zu schimpfen…

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02.12.2016