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Das verlorene Paradies

Nach der Vereinigung ging es mit dem Fußball im Osten vor allem abwärts. Es fehlte an Geld, erfahrenen Managern, und die besten Spieler gingen in den Westen. Inzwischen gibt es ein paar Lichtblicke, aber nur in unteren Ligen. Ein Besuch in Jena beim FC Carl Zeiss, der einmal ein Vorzeigeclub war

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von
Thomas Leinkauf
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An diesem Spieltag Anfang September kommt Bautzen ins Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena. Budissa Bautzen. Wäre es doch wenigstens Magdeburg, der Rivale aus früheren Jahren. Oder Dynamo Dresden, mit dem die Jenaer manches Spitzenduell ausgefochten haben, damals, in der guten alten Fußballzeit. Oder Rot-Weiß Erfurt, der ewige Erzfeind. Aber die spielen nicht in Jenas Liga, die spielen inzwischen alle eine Klasse höher. Nicht Bundesliga eins und auch nicht zwei, da gibt's 25 Jahre nach der deutsch-deutschen Vereinigung außer Union Berlin und dem Retortenclub RB Leipzig keine ostdeutschen Vereine. Aber 3. Liga, immerhin. Das ist ein Erfolg, nachdem es für die meisten nach 1989 erst mal mehr oder weniger steil nach unten ging, und es für manchen Club sogar in der Insolvenz endete.

In der 3. Liga finden jetzt die ostdeutschen Derbys statt, allein acht Erstligisten der DDR treffen hier aufeinander. Eine Zeitung nannte das "DDR-Oberliga mit Westbeteiligung". Eigentlich fehlen nur BFC Dynamo und der 1. FC Lok Leipzig. Und natürlich der FC Carl Zeiss. Jena spielt immer noch – oder schon wieder – regional, gegen Meuselwitz, Neustrelitz und Bautzen. Selbst gegen den Zipsendorfer Fußballclub Meuselwitz ging das Spiel neulich 0:2 verloren.

"Meuselwitz, das waren früher drei Häuser, vier Spitzbuben", sagt Peter Ducke. "Die hätten wir zweistellig weggeknallt." Der Schwarze Peter, wie ihn Fans und Reporter nannten, war in den Sechziger- und Siebzigerjahren Mittelstürmer des FC Carl Zeiss Jena. Er sitzt an einem der letzten warmen Sommertage in kurzen Hosen und barfuß auf dem Sofa seines bescheidenen Wohnzimmers und trinkt eine Cola. Ducke ist jetzt 75 und lebt mit seiner dritten Frau in Großschwabhausen, einem kleinen Ort bei Jena, in dem die Wege Am Anger heißen oder Kirchgasse. An einer Wand hängen Indianerbilder, Ducke ist Indianerfan und war auch schon in Amerika auf ihren Spuren. Quicklebendig springt er auf, läuft zur Wand gegenüber, die voller Erinnerungen an seine Fußballzeit ist. Eine große Peter-Ducke-Uhr mit seinem Bild, Fotos, Urkunden, eine Ducke-Briefmarke – "Rebell und Volksheld" –, die seltsamerweise die österreichische Post herausgegeben hat, eine Ducke-DVD, ein Ducke-Buch, ein Karton voller…

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26.09.2015