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Gesellschaft

Badia, Ahmed und die anderen

Gelingt Integration? Wie eine syrische Mutter, ein iranischer Lehrling und ein Ingenieur aus Ghana versuchen, in Berlin Fuß zu fassen

BERLINER ZEITUNG / PAULUS PONIZAK

Es gibt diese Momente, die einen mit dem Gefühl belohnen, alles richtig gemacht zu haben. Zum Beispiel als Birgit Spiewok vor ein paar Wochen in ihr Badezimmer kam, wo die 15 Jahre alte Kiram gerade vor dem Schminkspiegel stand, ohne Kopftuch, mit offenen Haaren und einem Lippenstift in der Hand. "Sie wollte, dass ich sie mit meinem Handy fotografiere. Das hat mich sehr berührt, weil mir klar wurde, dass dieses Mädchen mir vertraut, sich mir ungeschützt zeigt, wie man es in Syrien wahrscheinlich nur in der Familie tut", sagt Birgit Spiewok, 46.

Sie kennen sich seit sechs Wochen, die Frau aus Berlin und das Mädchen aus Damaskus. Anfang September kam der Anruf einer Bekannten. "Habt ihr Platz für fünf Leute für eine Nacht?" Birgit Spiewok und ihr Mann räumten schnell das Zimmer ihrer Tochter um, borgten Matratzen, bezogen Decken. Dann standen am Abend Mohammed Manhash und seine Frau Badia mit den Kindern Khaled (5), Rena (8) und Kiram (15) vor der Tür ihrer Wohnung in der Linienstraße in Berlin-Mitte. "Unsere syrische Familie", sagt Birgit Spiewok, die als Trainerin und Beraterin für humanitäre Organisationen arbeitet, und die in den folgenden Wochen wohl selbst gern ein wenig Beratung gehabt hätte bei ihrem kleinen, ganz privaten humanitären Projekt, das darin bestand, der Familie Manhash eine erste Bleibe in der Fremde zu bieten.

Solche Wohngemeinschaften gibt es mittlerweile viele in Deutschland. Die Bürger haben schnell begriffen, dass der Staat es nicht schafft, Hunderttausende Flüchtlinge unterzubringen und zu versorgen. Es war ihnen offenbar klar, dass geholfen werden muss, dass man die Menschen, die wochen- und monatelang, oft unter Einsatz ihres Lebens, hierher geflüchtet sind, nicht unbehaust und hungrig lassen kann. Aber es ist noch viel mehr, was sich den Flüchtlingen in den Familien bietet, bei denen sie nun die erste Zeit verbringen. Wenn Integration bedeutet, einen Zugang zur Gesellschaft zu finden, dann sind die Stunden, in denen die Familie Manash abends am großen Küchentisch der Familie Spiewok sitzt und sie sich von ihrem Tag und ihrem Leben erzählen, wohl kein schlechter Anfang.

Als die ersten Flüchtlinge kamen, stand neben aller…

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31.10.2015