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Gesellschaft

Angst vor einem Religionskrieg in Rouen

Nach dem Mord an einem Pfarrer durch Terroristen ist die Kluft zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen tief

Gerhard Roethlinger / shutterstock.com
von
Axel Veiel
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Gesellschaft

SAINT-ETIENNE-DU-ROUVRAY/ROUEN. Die Straßenbahn, die Rouen mit der Vorstadt Saint-Etienne-du-Rouvray verbindet, ist zur Mittagszeit fast leer. Khadija geleitet ihre altersschwache Mutter zu einem der zahlreichen freien Plätze. Die beiden Marokkanerinnen könnten verschiedener kaum sein. Der Mutter steht ins Gesicht geschrieben, dass ihr das Leben nichts geschenkt hat. Die Wangen eingefallen, die Lippen zwei Striche nur, der Gang zittrig, setzt sie sich auf den ihr zugedachten Platz. Die Tochter hingegen wirkt unbekümmert. Auf ihrem rundlichen Gesicht scheint ein gutmütiges Lächeln auf. Und dann passiert es eben.

Eine unweit der Mutter sitzende Französin springt auf. Mit zornig-verächtlicher Miene mustert sie die durch ihr Kopftuch als Musliminnen ausgewiesenen Frauen, geht entschlossenen Schrittes auf Distanz. Den entferntesten Sitzplatz, den der Zug zu bieten hat, nimmt sie ins Visier, lässt sich vorn neben der Fahrerkabine nieder, blickt noch einmal zornig-verächtlich zurück, wendet sich endgültig ab.

"Es ist schlimmer geworden, seit sie den Pfarrer umgebracht haben", sagt Khadija beim Verlassen der Straßenbahn. Sie, das sind zwei sich zum Islamischen Staat (IS) bekennende 19-jährige Männer, die am 26. Juli in der Kirche von Saint-Etienne-du-Rouvray dem 85-jährigen Pater Jacques Hamel die Kehle durchgeschnitten haben, bevor sie von der Polizei erschossen wurden. Und schlimmer geworden ist es mit Misstrauen und Ablehnung, die Khadija als Muslima…

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06.08.2016