Lesezeit 8 Min
Philosophie

Unser blinder Fleck

Sie ist ein Phänomen und dabei alltäglich: Die Rede ist von Selbsttäuschung. Doch kann man sich selbst überhaupt täuschen? Und wenn ja, warum tut der Mensch das?

MabelAmber / pixabay.com
von
Thomas Vašek
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Philosophie

Da ist der Autofahrer, der seine Fähigkeiten am Steuer überschätzt. Der Schwerkranke, der über Monate hinweg seine Symptome verdrängt, statt endlich zum Arzt zu gehen. Da ist die Ehefrau, die alle Indizien ignoriert, dass ihr Mann sie betrügt. Vor Selbsttäuschung ist kaum jemand gefeit. Wir reden uns Dinge ein, machen uns etwas vor, betrügen uns selbst. Auf den ersten Blick scheint Selbsttäuschung irrational, gefährlich, ja pathologisch zu sein. Wer darin befangen ist, neigt oft zu Leichtsinn und Selbstüberschätzung. Aber müssen wir tatsächlich immer ehrlich zu uns selbst sein? Kann es uns nicht auch manchmal weiterbringen, wenn wir uns selbst belügen?

Selbsttäuschung bedeutet, sich selbst dazu zu bringen, etwas Falsches zu glauben. Das führt zu einem philosophischen Paradox. Sicher kann jemand in einen inneren Konflikt geraten oder sich unabsichtlich selbst widersprechen. Man kann seine Überzeugung ändern und später etwas anderes glauben als zuvor. Doch offenbar kann man nicht etwas glauben, was man zur gleichen Zeit nicht glaubt. Mit spitzfindigen Argumenten streiten Philosophen bis heute darüber, ob und unter welchen Bedingungen Selbsttäuschung im strengen Sinne überhaupt möglich ist. Und doch scheint das Phänomen so allgegenwärtig zu sein, dass es schon an Selbsttäuschung grenzt, nicht an deren Möglichkeit zu glauben.

Psychologen kennen heute eine ganze Reihe von Mechanismen, die Menschen für verschiedene Arten von Selbsttäuschung anfällig machen…

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Nr. 1/2018