Lesezeit 12 Min
Geschichte

Schäfer Läpple macht rüber

Mit 600 Tieren und nach kühl
kalkuliertem Plan gelang einem
Blankenfelder 1961 eine einzigartige
Flucht aus der DDR.
Die Westpresse war aus dem Häuschen,
die Staatssicherheit nicht minder. Eine
Geschichte über Familie,
Selbstbestimmungswillen und einen
Neuanfang im Westen

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von
Maritta Tkalec
Lesezeit 12 Min
Geschichte

Es hätte schiefgehen können. Er hätte auf Jahre im Gefängnis landen können. Natürlich wusste Schäfer Gerhard Läpple um die Risiken einer Republikflucht. Andererseits war sein Plan so unfassbar kühn, so einzigartig einfach, dass er glücken konnte. Wer würde schon glauben, dass da einer am hellen Nachmittag, vor den Augen der Grenzpolizisten mit einer Riesenherde von 600 Schafen in den Westen ziehen würde.

Tatsächlich bot Gerhard Läpple mit seinen Tieren den Posten, die die Sektorengrenze zwischen Blankenfelde in der DDR und Lübars in Westberlin bewachten, eine idyllische Szenerie. Mit Schäferstab und Umhang, einem Hut auf dem Kopf und begleitet von den beiden Hunden Zilli und Flink bewegte sich der Schäfer - wie schon so oft zuvor - gemächlich über die stillgelegten Rieselfelder und ließ die Tiere weiden. Ein Bild der Ruhe. Anders sein Fluchtbericht: Der beschreibt die Spannung - äußere Coolness und äußerste innere Erregung.

Im Blickfeld der Grenzer

Es war der 23. April 1961, ein Sonntagnachmittag: "Ich zog mit meinen Schafen auf schmalen Feldwegen Richtung Lübars. Da habe ich erst eine Weile ganz in der Nähe der Vopos gehütet, die dort an der Bahnlinie postiert waren. Ich habe mich so ungefähr eine halbe Stunde in die Sonne gelegt, während die Schafe unmittelbar unter den Augen der Vopos weideten. Das Gras war gut gewachsen, es war schönes Wetter im April 1961.

Dann bin ich mit den Schafen so ganz allmählich weitergezogen. Ich kam dann auf dem Weg in Richtung der alten Fasanerie an eine Wegbiegung, wo viele Weidenbäume standen. Als ich dann weiterzog, kam ich wieder in das Blickfeld der Grenzer. Ich war aber schon ganz nahe an der Westberliner Grenze, die ja damals dort…

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11.08.2018