Lesezeit 9 Min
Kultur

Der Enkel und das Erbe

Seit vielen Jahren kümmert sich Arne Kollwitz um das Vermächtnis seiner Großmutter. Jetzt, kurz vor dem 150. Geburtstag der Künstlerin Käthe Kollwitz, ist das Museum bedroht, das ihr Werk in Charlottenburg bewahrt. Wie kann das sein – ausgerechnet in Berlin?

BERLINER ZEITUNG / PAULUS PONIZAK
von
Ingeborg Ruthe
Lesezeit 9 Min
Kultur

BERLIN. Sanft fällt das Mittagslicht durch die Äste der Bäume ins Wohnzimmer. Dennoch sind die schlicht gerahmten Bilder an den Wänden mit Leinen verhängt. Zu viel Tageslicht wäre schädlich für die 90, 80, 70 Jahre alten Zeichnungen von Käthe Kollwitz. Und auch für die 40, 50 Jahre alten zarten Blätter ihrer Schwiegertochter Ottilie Ehlers-Kollwitz, von deren Bildern die Kunstwelt viel zu wenig weiß. Zu viel Licht würde nach längerer Zeit auch die kräftigste Linie oder Kontur ausbleichen, das Papier mürbe machen.

Der Mann, der hier, in diesem stillen Haus am Schlachtensee, wohnt, lässt alle Vorsicht walten. Schließlich handelt es sich um das künstlerische Vermächtnis seiner berühmten Großmutter und das seiner nur einem kleinen Kreis bekannten Mutter. Arne Kollwitz hat als direkter Nachkomme nicht nur den Part des Vermittlers der unter den Nazis als "entartet" diffamierten Künstlerin, sondern auch den des Bewahrers. Und "Bewahren", sagt er, "beginnt vor der eigenen Nasenspitze."

Zwischen den verhängten Werken der Kollwitz zum Prinzip Hoffnung fällt ein großes farbiges Gemälde auf, unübersehbar ein Werk eines späten Wahlverwandten der Kollwitz: Die Figur des Ost-Berliner Malers Harald Metzkes trägt das weiße Pierrot-Kostüm der Commedia dell'Arte und einen Napoleonhut. Sie geht am Stock. Arne Kollwitz hat das Bild vor Jahren gekauft. Es passt - als heutiges Zeitzeichen - gut zu den mahnenden Blättern seiner Ahnin.

Der Enkel,…

Jetzt weiterlesen für 0,47 €
03.06.2017