Lesezeit 7 Min
Gesellschaft

Das ist mein Papa

Die Berlinerin Rita Vowe war 74, als sie zum ersten Mal ein Bild ihres Vaters sah. Johann Trollmann, ein Sinto, war Boxer, er wurde im KZ Neuengamme erschlagen. Jetzt hält die Tochter die Erinnerung an ihn wach

BERLINER ZEITUNG / MARKUS WÄCHTER
von
Susanne Lenz
Lesezeit 7 Min
Gesellschaft

Das ist die Geschichte einer großen Liebe. Nur dass die Liebenden einander nie kennengelernt haben. Nicht wirklich jedenfalls, nicht so, wie Vater und Tochter sich kennenlernen, wenn alles mit rechten Dingen zugeht. Doch das tat es nicht im Fall des Boxers Johann Trollmann und seiner Tochter Rita. Rita Vowe war 74 Jahre alt, als sie zum ersten Mal das Bild ihres Vaters sah.

Diese Geschichte geht auf eine Begegnung im Theater zurück. Es war in diesem Frühjahr während der ersten Roma-Biennale im Gorki Theater, organisiert von Roma-Künstlern. Auf der Bühne tänzelte eine Schauspielerin mit riesigen goldenen Boxhandschuhen, auf die Leinwand hinter ihr war das Schwarz-Weiß-Bild eines jungen Mannes projiziert, auffallend gut aussehend. Daneben sein Name: Johann Trollmann. "Das ist mein Papa", rief es plötzlich aus dem Publikum. Ich reckte meinen Kopf und sah eine ältere Dame. Die jungen Leute neben ihr ergriffen ihre Hände.

Auf ihren Namen kam ich schnell, als ich, an diesem Abend kaum zu Hause angekommen, den Namen ihres Vaters googelte. Johann Trollmann, geboren 1907, war ein Sinto. Seine Leute nannten ihn "Rukeli", nach dem Romanes-Wort "ruk", Baum. Von seinem Geburtsort Wilsche bei Hannover zog er nach Berlin, als er etwa 20 war. Bald war er als Boxer in der Bockbrauerei in Kreuzberg am Tempelhofer Berg unter Vertrag. Hier fand auch am 9. Juni 1933 der Kampf um den deutschen Meistertitel im Halbschwergewicht statt. Trollmann und Adolf Witt traten…

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25.06.2018